(Da diese Frage häufiger in Livestreams gestellt wird, habe ich hier mal ein paar Gedanken zu Papier gebracht.)

Stell dir vor, du sitzt an einem Sonntagmorgen in deinem Lieblingsrestaurant. Der Duft von knusprigem Speck erfüllt die Luft, und plötzlich fragst du dich: "Moment mal - was würde Jesus dazu sagen?" Vielleicht schmunzelst du über diesen Gedanken, aber die Frage nach dem, was wir essen dürfen, ist tief in der DNA unseres Glaubens verwurzelt.
Szene 1: Als Gott "Nein" zum Bacon sagte
Wenn wir die Seiten der hebräischen Bibel aufschlagen, stoßen wir auf eine faszinierende Entdeckung. Gott gab seinem Volk klare Anweisungen - keine Garnelen zum Abendessen, kein Kaninchen zum Lunch, und definitiv kein Speck zum Frühstück. In 3. Mose 11,7-8 ist die Ansage kristallklar:
„Auch das Schwein soll euch als unrein gelten, denn es hat zwar gespaltene Hufe, käut aber nicht wieder. Ihr dürft nichts von ihrem Fleisch essen und sie auch nicht berühren, wenn sie verendet sind. Sie sollen euch als unrein gelten.“
Stell dir einen antiken israelitischen Teenager vor, der sehnsüchtig zum Nachbarzelt schielt, wo eine phönizische Familie ihr Spanferkel genießt. "Aber warum, Papa?", mag er gefragt haben. Die Antwort war mehr als nur Ernährungsberatung - es war eine tägliche Erinnerung: "Wir sind anders. Wir gehören dem lebendigen Gott."
Szene 2: Der Tag, als der Himmel Schweinebraten servierte
Stell dir einen heißen Mittag in Joppe vor. Petrus, dieser wettergebräunte Fischer-turned-Apostel, steigt auf ein Dach zum Gebet. Sein Magen knurrt – es ist fast Essenszeit. Was er nicht ahnt: Gott steht kurz davor, nicht nur seinen Speiseplan, sondern die gesamte Heilsgeschichte zu revolutionieren.
Eine verstörende Vision
Die Vision, die folgt, ist nicht subtil. Ein gewaltiges Tuch, von Gottes unsichtbaren Händen gehalten, schwebt vom Himmel herab. Darauf: Ein "All-you-can't-eat-Buffet" für jeden gesetzestreuen Juden. Schlangen schlängeln neben Schweinen, Krabben liegen neben Kaninchen. Alles, was die Torah seit Jahrhunderten als "unrein" kategorisiert hatte.
Dreimal spielt sich diese Szene ab. Dreimal wehrt sich Petrus. "Auf keinen Fall, Herr!" (Apg 10,14). Beachte die wunderbare Ironie: Er nennt ihn "Herr" und sagt im gleichen Atemzug "Nein". Wie oft tun wir das auch?
Mehr als nur Mittagessen
Aber diese Vision war nie wirklich eine simple Kochshow. Sie war der Prolog zu einem der dramatischsten Paradigmenwechsel der Kirchengeschichte. Denn während Petrus noch grübelt, klopfen bereits Gesandte des römischen Hauptmanns Kornelius an die Tür – ein "Unreiner" par excellence.
Hier entfaltet sich die mehrdimensionale Weisheit Gottes:
Die symbolische Dimension: Die unreinen Tiere repräsentierten die Heidenvölker. Wenn Gott die Tiere für rein erklärt, erklärt er damit auch die Heiden für rein. Das ist keine neue Theologie – bereits in der Abrahamverheißung war der Segen für alle Völker angelegt.
Die theologische Revolution: Was hier geschieht, ist nichts weniger als die Aufhebung der rituellen Reinheitsgesetze durch göttliche Autorität. Das gleiche Wort (katharizō), das hier für "rein erklären" verwendet wird, benutzt Jesus in Markus 7,19, wo er "alle Speisen für rein erklärt".
Die ekklesiologische Dimension: Die Tischgemeinschaft war im antiken Nahen Osten mehr als nur Nahrungsaufnahme – sie war Ausdruck sozialer Akzeptanz. Wenn die Speisegesetze fallen, fallen auch die sozialen Barrieren zwischen Juden und Heiden.
Die größere Geschichte
Diese Vision markiert einen Wendepunkt, an dem das Evangelium explodiert: Von einer primär jüdischen Bewegung zu einer weltumspannenden Realität des Reiches Gottes. Was als kulinarische Vision beginnt, endet in einer ekklesiologischen Revolution.
Die Implikationen sind gewaltig:
Die Unterscheidung zwischen "rein" und "unrein" wird neu definiert
Die Heiligkeit wird von äußeren Ritualen in das Herz verlagert
Die Gemeinde wird als ein Ort definiert, wo alte Trennungen überwunden werden
Jesus und das Ende der Speisekarte-Theologie
Jesus selbst hatte bereits den Grundstein für diese Revolution gelegt. In einer Szene, die seine Zuhörer schockiert haben muss, erklärt er: "Versteht ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann?" (Markus 7,18)
Stell dir vor, wie diese Worte eingeschlagen haben. Das wäre, als würde heute jemand sagen: "Hey, all diese religiösen Regeln, die ihr für so wichtig haltet? Sie waren nur Wegweiser zu etwas viel Größerem."
Freiheit mit Geschmack nach Liebe
Aber hier kommt der entscheidende Twist: Diese neue Freiheit ist keine Einladung zur gedankenlosen Völlerei. Paulus, dieser brillante Theologe mit Straßenweisheit, erklärt es so: Ja, wir sind frei - aber diese Freiheit sollte nach Liebe schmecken.
Denk an diese praktische Situation: Du lädst einen ehemaligen Muslim zum Essen ein, der vor kurzem Christ geworden ist. Würdest du ein Schweineschnitzel servieren, nur weil du es darfst? Paulus würde sanft den Kopf schütteln und daran erinnern: "Alles ist erlaubt - aber nicht alles dient zum Guten" (1. Kor 10,23).
Die größere Geschichte
In unserer modernen Welt hat diese alte Frage neue Dimensionen bekommen:
Der Klimawandel lässt uns über nachhaltige Ernährung nachdenken
Industrielle Massentierhaltung wirft ethische Fragen auf
Gesundheitsstudien geben neue Perspektiven auf unsere Ernährung
Aber die grundlegende Wahrheit bleibt: Das Königreich Gottes dreht sich nicht um Essen und Trinken (Röm 14,17). Es geht um Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist.
Ein Tisch der Gnade
Am Ende geht es nicht wirklich um Speck oder kein Speck. Es geht um die revolutionäre Botschaft, dass Gott ein Festmahl der Gnade bereitet hat, zu dem alle eingeladen sind. In einer Welt voller Ernährungsideologien und Diätkulte ist das eine befreiende Botschaft:
Die Frage ist nicht mehr "Was darf ich essen?", sondern "Wie kann mein Essen die Liebe Gottes widerspiegeln?"
Vielleicht ist das nächste Frühstück mit knusprigem Speck mehr als nur eine Mahlzeit - es kann ein kleines Fest der Freiheit sein. Oder vielleicht entscheidest du dich, darauf zu verzichten - aus Liebe zu einem Freund oder aus Sorge um die Schöpfung. Beides kann ein Ausdruck der Gnade sein.
Denn am Ende sitzt Jesus mit uns am Tisch - egal was auf den Tellern liegt. Und das ist das eigentliche Wunder.